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Die Psychologie des Yoga


Mein persönlicher Yogaweg begann relativ spät mit der Schwangerschaft meiner zweiten Tochter. Mir war der normale Vorbereitungskurs irgendwie nicht mehr spannend genug und ich dachte, ein bisschen Schwangerschafts-Yoga könne ja nicht schaden. Aus dieser Notlösung sollte Jahre später ein Hilfanker in meinen schwierigen Zeiten werden. In Zeiten, in denen ich wirklich zerfressen von Selbstzweifeln und großen Schuldgefühlen war. Und diese "Geschichte" kenne ich nicht nur von mir, sondern von so vielen Menschen, die ich auf meinem Yoga-Weg getroffen habe.


Was ist es also, was Yoga so besonders macht? Zumindest mal in meiner Statistik habe ich nur sehr selten gehört "Gymnastik hat mein Leben verändert" oder "Seitdem ich jogge, sehe ich die Welt mit neuen Augen". Sicher haben beide Sportformen wahnsinnge gesundheitliche Vorteile und wirken damit auch ausgleichend auf Deine Psyche - aber Yoga scheint da dann doch noch etwas zu bieten, was einer normaler Sport nicht hat.


Psychologie bedeutet übersetzt "Die Lehre der Seele". Und wenn man das mal als Grundlage nimmt, so könnte man behaupten, das Yoga (= anjochen, verbinden) an sich eben eine "Lehre der Seele" ist. Denn Yoga als Philosphie befasst sich nur am Rande mit Körperübungen und Fitness. Es geht um die Beruhigung des Geistes. Hierzu werden verschiedene Tools (z. B. auch das Üben mit dem Körper) angeboten, aber eben auch Grundlagen vermittelt.


Laut Yoga gibt es 5 Ursachen des Leidens (Kleshas genannt):

  1. Avidya: Unwissenheit

  2. Asmita: Anhaftung am Ego

  3. Raga: Verlangen

  4. Dvesa: Abneigung

  5. Abhinivesah: Angst

Über jedes dieser Ursachen lohnt es sich, einen eigenen Blogbeitrag zu schreiben (mach ich vielleicht auch :-)), aber im Kern geht es darum, dass Yoga die Philosophie vertritt, dass Leiden aus unseren Ureigensten Antriebskräften heraus entsteht und - das ist wichtig - wir uns dessen in der Regel nicht bewusst sind (Unwissenheit). Bereits kleine Urzellen kennen das Prinzip "Mag ich" und "Mag ich nicht". Dort, wo es etwas gibt, das angenehm ist, schwimmt es hin und da, wo es unangenehm ist, schwimmt es weg. Für eine kleine Amöbe ist das ein einfaches Prinzip - für unseren Geist zwar auch, wirkt aber deutlich komplexer.


Yoga hilft uns, mit seinen verschiedenen Techniken, erst einmal Licht in das Dunkel zu bringen und uns dieser Wirkungskräfte bewusst zu werden. In diesem Bewusstsein und in einem Zustand von Klarheit und Entspannung kann es uns dann gelingen, diese Kräfte abzuschwächen. Wir sind ihnen nicht mehr bedingungslos ausgeliefert.


Ein Beispiel:

Wenn ich sage: "Ich BIN Yogalehrerin", dann erschaffe ich ein spezielles "Ich bin", das für mich mit verschiedenen Qualitäten unterlegt ist. Ich identifiziere mich mit diesem Yogalehrer-Dasein und möchte dem gerecht werden. Ich mag es, wenn Menschen zu mir kommen und sich von mir anleiten und lehren lassen. Nun gehöre ich zu den Yogalehrern, die Einschränkungen in der Beweglichkeit haben. Ja, das gibt es auch. Und an sich ist das ja auch nicht schlimm, so lange ich mir zu helfen weiß. Aber jetzt sagt jemand zu mir "das müsstest Du doch als Yogalehrerin schon hinbekommen". Bin ich jetzt ganz und gar in meiner Identifizierung gefangen, dann werde ich leiden indem ich mich ärgere - egal über den, der es sagt oder über mich, weil ich ja selbst denke, das müsste doch schon besser gehen.


Ich hänge an einem inneren Bild, einer Vorgabe, die nur ich allein mir erschaffen habe. Und wenn ich diesem Bild nicht gerecht werde, beginne ich zu leiden.


Das ist nur eines von vielen Beispielen. Unter dem Bild, eine "perfekte Mutter" sein zu müssen, habe ich lange sehr gelitten. Doch was ist denn perfekt?


Yoga kann Dir ermöglichen, einen neuen Weg einzuschlagen. Einen Weg, auf dem Du wacher wirst und klarer erkennen kannst, an welchen Dingen zu unbedingt festhalten möchtest. Und es schenkt Dir den Raum zu hinterfragen, ob das wirklich notwendig ist. In der Psychologie würde man das Reframing nennen: eine Situation oder ein Thema in einen neuen Rahmen zu setzen. Um beim Beispiel der Yogalehrerin zu bleiben wäre das z. B. die Frage, ob es für die Teilnehmer nicht sogar besser ist, wenn auch der Lehrer manchmal Schwierigkeiten hat und zu sehen, dass auch er mit liebervoller Achtung seinem Körper gegenüber nicht in die Bewertung geht. Kann der Teilnehmer dadurch nicht weitaus mehr lernen, als eine perfekte Asana?


Dieses Thema fasziniert mich sehr. Als ich nach der Yogalehrer-Ausbildung direkt die Ausbildung als Heilpraktikerin für Psychotherapie eingeschlagen haben, war meine Vision, beides miteinander zu verbinden. Denn ich glaube und weiß, dass Yoga mein Leben zum positiven verändert hat. Es ist ein neuer Weg, der beginnen kann. Ein Weg, raus aus dem Leiden.

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